BIS ZUM RAND DER WELT UND WEITER

Wie uns die Astrophysik die Welt erklärt

Dr. Uwe Reichert

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Der Rhein-Necakr-Zeitung entnommen (Text von Paul Horst): „Bis zum Rand der Welt und weiter“

Walldorf. „Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschiff, völlig schwerelos!“: Mit dem Abspielen des 80er-Jahre-Hits „Major Tom“ von Tom Schilling startete der „Countdown“ zur ersten Veranstaltung von „Punktsieben“ in diesem Jahr. Das Diskussionsforum der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf widmete sich dem Thema „Bis zum Rand der Welt und weiter – Wie uns die Astrophysik das Universum erklärt“. Um zu referieren und das Publikum „auf eine Reise ganz weit weg“ mitzunehmen, hatte man Dr. Uwe Reichert eingeladen.

Der studierte Astronom und Physiker Reichert war lange Zeit als Wissenschaftsjournalist tätig, zuletzt als Chefredakteur der Fachzeitschrift „Sterne und Weltraum“, bevor er im letzten Jahr in Ruhestand ging. Dennoch ist er weiterhin wissenschaftlich aktiv und reiste beispielsweise kürzlich erst nach Chile, um dort, fernab von Lichteinflüssen und Luftverschmutzung, den Sternenhimmel zu beobachten. Von seiner Reise in das südamerikanische Land hatte Reichert dann auch einige Aufnahmen zur Veranstaltung mitgebracht.

Diese präsentierte er nach einleitenden Worten seitens des Organisationsteams von „Punktsieben“ dem gut gefüllten Saal des Gemeindehauses. Mithilfe einer Zeitraffer-Aufnahme des sternenübersäten chilenischen Nachthimmels konnte Reichert zum Beispiel die Erdrotation sichtbar machen. Im Laufe des Vortrags erläuterte Reichert weiter, welche Themen die Astrophysik gegenwärtig beschäftigen und ging auf einige vertiefend ein. So sprach er zum Beispiel über Meteoriten und deren Zusammensetzung. Besonders anschaulich konnte er diese durch ein mitgebrachtes Fundstück darstellen, das eine beeindruckende Kristallstruktur aufwies.

Danach wandte Reichert sich größeren Himmelskörpern zu: Mithilfe eines Videos konnte er anschaulich den aktuellen Erkenntnisstand der Wissenschaft zu unserem Nachbarplaneten Mars erläutern. So erklärte er zum Beispiel, dass

Von Urknall bis Weltraumschrott

man mittlerweile sicher wisse, dass es auf dem „roten Planeten“ Wasser, sowohl in gefrorener als auch in flüssiger Form, gebe.

Danach wandte sich der Referent dem Gasplaneten Saturn zu und zeigte beeindruckende Aufnahmen von dessen Ringen. Reichert berichtete auch von der Raumsonde „Cassini“, deren 20 Jahre lange, erfolgreiche Mission 2017 zu Ende gegangen war. „Cassini“ hatte sich 1997 auf den Weg zum Saturn gemacht und immer wieder detailreiche Bilder und aufschlussreiche Daten über den zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems zur Erde gesendet. Ebenso gab Reichert einen Einblick in die Mission der Sonde „New Horizons“, die seit 2006 unterwegs ist, unter anderem um Pluto zu erforschen, und in die „Rosetta“-Mission. Letzterer gelang es zum ersten Mal, einen Kometen zu begleiten und einen sogenannten Lander auf ihm abzusetzen, bis die Mission 2016 erfolgreich beendet wurde.

Nachdem er geschildert hatte, welche Phänomene innerhalb unseres Sonnensystems die Wissenschaft gerade umtreiben, wagte Reichert mit dem Publikum noch einen „Abstecher“ in die Weiten des Alls.

So sprach er beispielsweise über Schwarze Löcher und zeigte, wie Wissenschaftler diese eigentlich unbeobachtbaren Objekte erkennen können. Eine anschauliche Erklärung lieferte er zudem zum Phänomen der Gravitationswellen. Diese entstehen zum Beispiel, wenn besonders massereiche Sterne explodieren oder zwei Schwarze Löcher miteinander kollidieren. Sie verzerren die Raumzeit, was Wissenschaftlern dank neuer Messmethoden völlig neue Einblicke in unser Universum ermöglicht. Die Existenz von Gravitationswellen war bereits vor mehr als 100 Jahren von Albert Einstein vorausgesagt worden, bis sie dann 2016 final von Astrophysikern nachgewiesen werden konnten. Dafür gab es den Nobelpreis.

Im Anschluss blieb Raum für Fragen. Zuerst waren dabei die Mitglieder von „Punktsieben“ an der Reihe. Zur Sprache kam hierbei unter anderem die sogenannte „Dunkle Materie“, die Wissenschaftlern auf der ganzen Welt noch immer Rätsel aufgibt. Auf diese Weise konnte das Vortragsthema noch einmal vertieft werden. Auch hier war Reichert in der Lage, komplexe Fragen der Astrophysik für Laien verständlich zu erläutern und den aktuellen Stand der Wissenschaft darzustellen. Doch auch abseits der rein wissenschaftlichen Themen gelang es Reichert, Antworten auf die Fragen des Organisatorenteams zu finden, zum Beispiel als er nach seiner Meinung bezüglich der Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft gefragt wurde; Reichert gab zu verstehen, dass er sich allgemein mehr Diskurs zwischen Glaube und Wissenschaft wünsche. Er sei grundsätzlich der Meinung, dass sich eine für beide Seiten verträgliche Lösung finden lasse.

Auch das Publikum zeigte reges Interesse und nutzte die Gelegenheit, den Referenten zu Themen von Urknalltheorie bis Weltraumschrott zu befragen. Als alle Publikumsfragen beantwortet waren, überreichte „Punktsieben“ Uwe Reichert als Dank für den spannenden Abend noch ein kleines Geschenk. Passenderweise darunter: im Mondschein gekelterter Wein.

DREI JAHRE PRÄSIDENT TRUMP

In welcher Verfassung befinden sich die USA und die Welt?

Mit Dr. Martin Thunert

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Nach drei Jahren Trump zieht Punktsieben mit Politikwissenschaftler Martin Thunert BilanzWalldorf. 42.500 Kurznachrichten (Tweets) auf Twitter hat Donald Trump bisher verbreitet, berichtete Moderator Ralf Tolle von Punktsieben, der Erwachsenenbildungsinitiative der Evangelischen Kirchengemeinde Walldorf. Er setzte sich eine Pappmaske mit dem Konterfei des amerikanischen Präsidenten auf und las ein paar besonders krasse Tweets, bevor er im voll besetzten Gemeindesaal den Amerika-Experten Martin Thunert vom renommierten Heidelberg Center for American Studies vorstellte. Der lieferte in der gebotenen Kürze eine Analyse, die ihren Ausgang im Beitritt der Volksrepublik China zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 nahm. Laut Thunert führte die Globalisierung dazu, dass ehemals gut bezahlte Jobs in Niedriglohnländer abwanderten. Zudem entstanden in den USA mit der Digitalisierung disruptive (zerstörende) Unternehmen wie Google, Amazon und Facebook. Sowohl wirtschaftlich als auch kulturell stieg der Druck an und erreichte in der Wirtschafts- und Finanzkrise, die Amerika besonders traf, ihren Höhepunkt. Statusängste machen sich seither breit, nicht so sehr bei den „Abgehängten“, sondern vor allem bei Menschen, die etwas zu verlieren haben. Was ist mit Amerika los? Wie konnte ein Nicht-Politiker, der nie ein Amt („nicht mal Elternbeirat“) bekleidet hatte Präsident der Vereinigten Staaten werden? Und könnte er am 3. November 2020 erneut ins Weiße Haus einziehen? „Ohne Twitter hätte ich die Wahl nicht gewonnen“, habe Trump einmal gesagt. Entsprechend attackiert er alles, was das populistische Durchregieren stören könnte: Zentralbanken, Medien, Verfassungsgerichte, politische Gegner. Trump sei als „Instinkt-Politiker“ unberechenbar. Doch trotz der hohen Fluktuation in seinem Regierungsteam hält der harte Kern zu ihm.In Umfragen liegen Demokraten und Republikaner derzeit gleichauf, gegenüber Trump haben jedoch die Kandidaten der Demokraten die Nase vorn. Nur beim Thema Wirtschaft kann der Präsident punkten: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4 Prozent, der Dow-Jones-Index steigt in ungeahnte Höhen. Verlassen kann sich Trump vor allem auf bildungsferne weiße Schichten, Bewohner ländlicher Gebiete, die sich als Hinterwäldler abgestempelt fühlen und auf Evangelikale Christen, denen Skandale und Rassismus egal sind solange sich der Präsident gegen Abtreibung ausspricht und die christliche Gegenrevolution verkörpert. Dass Trump selbst nicht religiös ist, spielt dabei keine Rolle.Trumps Chancen auf eine Wiederwahl gibt der USA-Experte mit „fifty-fifty“ an. Welche Folgen sieht Thunert für die Weltordnung?Viele der Kritiker Trumps – nicht nur aus der eigenen Partei – haben die weitgehend gescheiterte Außen- und Sicherheitspolitik der USA seit Ende des Kalten Krieges verantwortet oder unterstützt (was es auch für Kandidaten wie Joe Biden schwermacht). Trump fordert die multilaterale Ordnung heraus. Sein Ansatz ist es, situationsbedingt auf für die USA profitable Deals mit einzelnen Staaten zu setzen. Er übt Druck auf Alliierte in Sicherheitsfragen aus, baut aber auch die eigene militärische Stärke aus. „Make America

Great Again“ heiße aber nicht, die weltpolitische Bedeutung der USA zu stärken, sondern dieUSA selbst stark zu machen, betont Thunert. „Westliche Werte“, die „Responsibility to Protect“, also der Schutz vor schweren Menschenrechtsverletzungen und Brüchen des humanitären Völkerrechts oder auch der Ansatz, die beste Friedenspolitik sei die Demokratisierung, all das spielt für den Präsidenten keine Rolle. Stattdessen zählen für ihn nationale Interessen und die Macht des Stärkeren. Trotz dieses Angriffs auf die liberale Weltordnung lautet Thunerts Prognose: Die liberale, regelbasierte Weltordnung kann auch ohne US-Führung aufrecht erhalten werden solange die entsprechenden Institutionen bestehen und die USA die strukturelle Macht (z.B. Dollar-Dominanz) behalten. Trotz neuer Herausforderer sieht der Politikwissenschaftler die USA aufabsehbare Zeit als einzige Weltmacht Sabine Hebbelmann