Gott der Christen - Gott der Muslime

"Kein menschliches Herz kann Gewalt erlauben"

Islamwissenschaftler Talat Kamran referierte bei "Punktsieben" in Walldorf – Für eine offene Gesellschaft müssen alle sich Mühe geben  

"Es gibt nur einen Herrn, wieso sollten wir uns nicht solidarisieren?" Das sagte Talat Kamran am zweiten Abend (21. Nov. 2010) des Diskussionsforums "Punktsieben" der evangelischen Kirchengemeinde Walldorf zum Thema "Gott der Christen – Gott der Muslime: Unvereinbar?" Wegen des großen Andrangs fand der Vortrag im Saal des evangelischen Gemeindehauses statt. Talat Kamran ist Leiter des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog. Er freute sich über so viele Interessierte und deren "gute Fragen". Kamran stützte sich auf Koran_Zitate, aber auch Mythen und Gleichnisse. Zur Überraschung der Gäste zog er auch die "Macht" aus den "Krieg der Sterne" Filmen zum Erläutern seines Glaubens heran. "Alle Wege führen nach Rom", sagte er zum interreligiösen Dialog. Mohammed habe eine Offenbarung erlebt, aber auch Adam und Eva, Moses, Noah und Abraham, das lehre der Koran. "Ein und dieselbe Weisheit offenbarte sich, immer anders." Sein eigenes Gottes verständnis machte er so anschaulich: "Gott ist die Sonne, die uns alle wärmt." Man könne sie nicht monopolisieren,"wir sollten jedem den Sonnenstrahl gönnen, den wir uns selbst gönnen". Wenn jemand aus tiefstem Herzen eine Beziehung zu Gott suche, sei er ein Gläubiger. "Uns steht nicht zu, einen Glauben für besser zu halten als einen anderen." Kamran räumte ein, dass nicht alle im Islam so denken wie er. Es gebe viele verschiedene Strömungen, philosophische, theologische, auch politisch beeinflusste. 
Ursula Bruckner von Punktsieben hatte eingangs begrüßt und dankte dem Referenten mit einem Präsent. Pfarrvikar Kurt Wessely aus Mannheim hatte den Abend moderiert. Mathias Pütz, Ralf Tolle, Christoph Dressler und Jochen Koppert von Punktsieben baten Talat Kamran, einzelne Punkte zu vertiefen und an schließend stellten die Zuschauer viele Fragen. Der Koran sei Gottes Wort, antwortete Kamran einmal. Aber, zitierte er einen befreundeten Jesuitenpater, "man kann die Bibel wortwörtlich oder richtig verstehen", und genauso halte er es mitdem Koran. Ohne den historischen Kontext versteheman die Suren nicht richtig. Kamran ging offen auf die teilweise heftige Kritik an Politik und Kultur islamisch geprägter Länder ein und sprach auch die Gräuel an, die im Namen Gottes begangen wurden. Der Koran erkenne Juden und Christen als Gläubige an, so Kamran. "Ungläubige" beziehe sich auf die Verwandten Mohammeds, die einst versuchten, ihn umzubringen. Dschihad ("sich bemühen") bezeichne ursprünglich das Recht Mohammeds, sich zu verteidigen. "Dschihad auf den Krieg gegen die USA oder Israel zu übertragen, ist nicht zulässig", erklärte Talat Kamran. Der Referent erläuterte auch die Surenäher, laut der Frauen geschlagen werden dürfen. Zur Zeit Mohammeds behandelte man "Frauen als Objekte", so Kamran. Die Koran_Vorschrift stelle einen Fortschritt dar, "eine Reduzierung der Gewalt", die davor maßlos gewesen sei. Die Offenbarung wolle die Menschen, insbesondere die "ein großes Ego habenden Männer", erziehen. Alle, die an Gott glaubten, seien aufgefordert, sich weiterzuentwickeln. "Wir müssen uns selber erziehen." Gewalt sei mit dem Koran nicht begründbar, betonte er mehrfach, weder Blutrache oder Zwangsheirat, schon gar nicht Kriege oder Selbstmordattentate. Wer im Namen Allahs Gewalt ausübe oder predige, "manipuliert die Unwissenden", so Kamran. "Kein menschliches Herz kann so was erlauben, es sei denn, es ist erblindet". Kamran: "Nicht als Muslim, sondern als Mensch sage ich das: So was können wir nicht billigen." Im Fall des deutsch-türkischen Verhältnisses machen ihm die Imame Hoffnung, die nun in Deutschland ausgebildet werden, etwa in Tübingen. Kamran hält islamischen Religionsunterricht auf Deutsch für wichtig, "unter Schirmherrschaft des ultusministeriums". Für eineoffene, verständnisvolle Gesellschaft müssten alle sich große Mühe geben. "Wir sollten Religionskriege lassen und Solidarität untereinander suchen; eine Spiritualität entwickeln, die unseren Kindern gut tut. Das brauchen wir."    (seb, aus RNZ)

Klimawandel und Klimapolitik

punkt sieben – Rückblick auf die Veranstaltung "Klimawandel" 

"Das haben wir noch nie erlebt in der Menschheitsgeschichte: dass wir auf jeden Einzelnen angewiesen sind." Über den Klimawandel und die Anforderungen an die Klimapolitik sprach Professor Eberhard Jochem vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe bei "Punktsieben" im evangelischen Gemeindehaus Walldorf. Er ist ein international anerkannter Wissenschaftler, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Mitglied des Weltklimarates und langjähriger Berater der Bundesregierung. Joachim Schleich von der Punktsieben-Projektgruppe stellte ihn und das Thema eingangs vor. Auf einem Tisch lagen Infobroschüren der Stadtwerke Walldorf und ausgewählte Fachliteratur aus der Stadtbücherei. 

Eberhard Jochem hat keinen Zweifel am Klimawandel. Die Menschheit stehe vor der Wahl, das Klima zu schützen oder sich an die kommenden Veränderungen anzupassen. Deutschland und Europa seien reich genug, beide Wege zu gehen. Die Entwicklungsländer treffe der Klimawandel aber härter, was Wetterextreme wie Dürren angehe. Ihnen fehle zudem das nötige Know-how und sie seien zu arm, um dem entgegenzuwirken. Es drohe der Kampf um Trinkwasser und andere Ressourcen: "Wenn wir den Klimawandel zulassen, erzeugen wir Gewalt." Er zitierte die Propheten Jeremia und Amos, um seine Position deutlich zu machen.

Energie-Effizienz ist Jochem zufolge der Schlüssel. Anschaulich erläuterte er, wie viel Energie nutzlos verpufft, im Kraftwerk, Auto und Haushaltsgerät, beim Heizen oder Kühlen eines Gebäudes. Jeder Einzelne sei gefordert, sein Verhalten zu ändern. 

Gerade durch den weltweiten Bevölkerungszuwachs und den Wunsch nach mehr Wohlstand sei höhere Effizienz unabdingbar: "Wir brauchen alle Technologie, die wir uns vorstellen können – und mehr." Auch Kernenergie sollte weiter genutzt werden, so Jochem, um den Kohlendioxidausstoß zu senken. Erneuerbare Energien müsse man ausbauen und das Kohlendioxid der Atmosphäre auffangen und beispielsweise im Boden speichern. Er riet auch zu "Ablasshandel" mit Emissions-Zertifikaten, mit denen Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden. 

Den Argumenten der Unternehmen, Klimaschutz sei zu teuer und verschlechtere ihre Wettbewerbsposition, begegnete Jochem, indem er auf die Schäden durch den Klimawandel und die Chancen verwies, die innovative Produkte auf dem Markt haben – gerade, falls es eine durchdachte Klimapolitik gebe. Mit dem bisherigen Vorgehen der Bundesregierung war der Klima-Experte aber nicht zufrieden, die "Abwrackprämie" hielt er nicht für klug. "Typisch Politiker: hat fast keine Ahnung, aber ein Problem." 

Eberhard Jochem hatte unbequeme Fragen an jeden im Publikum: Ob man wirklich mit dem "Zwei-Tonnen-Panzer" (SUV) zum Bäcker fahren müsse; ob 60 PS nicht ausreichten; ob man täglich 20 Minuten heiß duschen, die Kleidung nach ein Mal Tragen sofort waschen müsse; ob man jeden Tag Fleisch essen müsse. Unser Denken sei meist egozentriert, von kurzfristigen Moden und der Werbung beeinflusst und ohne Verantwortung, meinte er. "Wir bräuchten einen schadensantizipierenden Wähler", der handle, bevor die Katastrophe geschehe, und die Politik zum angemessenen Verhalten zwinge. Im Ruhrgebiet sei das gelungen, nannte Jochem als Beispiel, die Leute dort wollten "den blauen Himmel sehen", und Staub und Schwefel seien aus der Luft verschwunden. Das müsse auch heute wieder geschehen, in größerem Maßstab, "nur so beherrschen wir die Klimaerwärmung". 

Im Anschluss an den Vortrag wurden dem Referenten schwierige Fragen gestellt, erst von Christoph Dressler, Ruth Feine und Holger Lehmann von der Punktsieben-Projektgruppe, anschließend von Zuhörern. Überraschend nannte Eberhard Jochem positive Entwicklungen in Wirtschaft und Politik, die durch Einsicht sowie auf Druck der Wähler und Kunden geschahen. "Wir sind auf einem guten Weg, wenn Sie auch sagen könnten: zu langsam." 

Zum Schluss erhielt er ein Präsent. Er habe auf sein Honorar verzichtet, erklärte Joachim Schleich, und vorgeschlagen, es in einen Fonds zu investieren, um die Wärmedämmung der Kirche zu verbessern.  (seb)